29. Dezember 2017 |

“Das IAB ist stolz auf sein Betriebspanel”

Aus Anlass des 25-jährigen Bestehens des IAB-Betriebspanels fand am 4. und 5. Oktober dieses Jahres in Nürnberg der „2017 International Workshop on Establishment Panel Analyses“ statt, eine Tagung mit empirischen Beiträgen auf der Basis von Betriebs- und Unternehmensbefragungen sowie verknüpften Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Datensätzen.

„Viele Personen haben dazu beigetragen, dass das IAB-Betriebspanel national wie international ein großer Erfolg geworden ist“, sagte IAB-Direktor Professor Joachim Möller, der zum Auftakt der zweitägigen Veranstaltung anlässlich des 25-jährigen Jubiläums des IAB-Betriebspanels viele Gäste aus Wissenschaft, Politik und Praxis begrüßte.

Begrüßung und Grußworte

IAB-Direktor Prof. Dr. Joachim Möller

IAB-Direktor Prof. Dr. Joachim Möller

Das IAB-Betriebspanel sei ein wesentlicher Teil der Erfolgsgeschichte des IAB, so Möller: „Ende der 1980er/Anfang der 1990er Jahre gab es nur vereinzelte länderspezifische oder branchenspezifische Betriebsbefragungen. Es herrschte allgemein die Auffassung, dass es ein Ungleichgewicht in der Verfügbarkeit systematischer Informationen zu Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt zu Ungunsten der Nachfrageseite gab.“

Sowohl die Arbeitsverwaltung als auch die Arbeitsmarktforschung und nicht zuletzt die Betriebe selbst seien deshalb in starkem Maße an qualitativ hochwertigen, flächendeckenden und umfassenden Betriebsdaten interessiert gewesen: „Die Geschichte des IAB-Betriebspanels begann.“ Nach einer Machbarkeitsstudie und verschiedener Pretests im Jahr 1992 ging die Befragung im Jahr 1993 in Westdeutschland an den Start; ab 1996 wurde das IAB-Betriebspanel auf Ostdeutschland ausgeweitet.

Große Nachfrage nach den Daten

Die Daten des IAB-Betriebspanels stehen nicht nur dem IAB und den mitfinanzierenden Bundesländern zur Verfügung, sondern auch externen Wissenschaftlern. Vielfältige Analysepotenziale, so Möller, ergeben sich durch die seit dem Jahr 2005 bereitgestellten Linked-Employer-Employee-Daten des IAB (LIAB), in denen die Befragungsdaten des IAB-Betriebspanels mit prozessproduzierten Personendaten der Bundesagentur für Arbeit (BA) verknüpft werden: „Dies ermöglicht die simultane Analyse der Angebots- und Nachfrageseite des Arbeitsmarktes.“

Ein weiterer, auf dem IAB-Betriebspanel beruhender, verknüpfter Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Datensatz ist das „Linked Personnel Panel“ (LPP), dessen Fokus auf den Themen Personalarbeit, Unternehmenskultur und Managementinstrumenten in deutschen Betrieben liegt. „Mit dem LPP bietet das IAB ein neues Datenprodukt für die personalökonomische Forschung in Deutschland an, das die Analyse von Wirkungszusammenhängen zwischen Personalmanagement, individueller Arbeitsqualität und betrieblichem Erfolg ermöglicht“, sagte Möller.

Von Wissenschaft und Praxis hoch geschätzt

Der IAB-Direktor unterstrich, dass das IAB-Betriebspanel sowie die auf ihm beruhenden Linked-Employer-Employee-Datensätze nicht nur in der Wissenschaft hoch geschätzt würden. Auch von Seiten der Politik, der BA und der Verbände bestehe ein großes Interesse an den Ergebnissen: „So spielen die Auswertungen des IAB-Betriebspanels bei der Politikberatung unseres Hauses eine enorme Rolle. Die Beantwortung zahlreicher Anfragen von BA, Bundesregierung und Bundestag, aber auch von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden, wären ohne diese Daten nicht möglich.“

Möller nannte als Beispiele dafür das lückenlose Monitoring der Tariflandschaft in Deutschland seit 1996 oder die Erkenntnisse zur Einführung des gesetzlichen Mindestlohns, die mit Hilfe dieser Daten gewonnen werden konnten. Die Ergebnisse des IAB-Betriebspanels zur betrieblichen Aus- und Weiterbildung fließen jährlich in den vom Bundesministerium für Bildung und Forschung herausgegebenen Berufsbildungsbericht ein. Das Monitoring zu Frauen in Führungspositionen wurde von Seiten der Regierung (mit-)initiiert. „Auf besonders große Resonanz in der Öffentlichkeit sind zudem die Untersuchungen des Forschungsbereichs zur Erklärung des Jobwunders in der Wirtschafts- und Finanzkrise gestoßen, zu dem die Betriebe einen großen Teil beigetragen haben“, so der IAB-Direktor.

„Das IAB ist stolz auf sein Betriebspanel“, erklärte Möller und dankte allen, die diese Erfolgsgeschichte möglich gemacht haben: „Allen voran Lutz Bellmann und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, aber auch den an den Erhebungen und Auswertungen regelmäßig beteiligten Instituten und Kooperationspartnern und den Institutionen, die die Kosten des Projektes tragen und Impulse für wichtige und relevante Fragestellungen geben.“ Zu letzteren gehören unter anderem die Selbstverwaltung der Bundesagentur für Arbeit, die Bundesagentur selbst, die Bundesministerien, insbesondere das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), sowie viele Landesministerien.

Einblick ins Innere der Unternehmen

Detlef Scheele, Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit

Detlef Scheele, Vorstandsvorsitzender der BA, sprach als erster der Vertreter aus Wissenschaft, Politik und Praxis ein Grußwort und blickte darin ebenfalls noch einmal zurück auf die damalige Ausgangsituation „1992 war kein einfaches Jahr für Deutschland: Die Arbeitsmarktzahlen zeigten nach unten, der erhoffte Aufschwung Ost entpuppte sich erst einmal als Abbau, die Stimmung der Unternehmen verschlechterte sich“, erinnerte er an drei Millionen Arbeitslose und rückläufige Erwerbstätigkeit.

„Der Arbeitsmarkt veränderte sich teilweise dramatisch. Informationen aus den Unternehmen zur betrieblichen Situation fehlten“, so Scheele. „Seit 1993 werfen Sie nun einen Blick in das Innere der Unternehmen und stoßen auch durch die Zusammenarbeit mit zahlreichen Partnern wie der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände auf hohe Akzeptanz bei den Betrieben.“

Standen bei der Gründung des IAB-Betriebspanels noch Fragen rund um die Wiedervereinigung im Mittelpunkt, sind es aktuell der digitale Wandel, die Wirkungen des Mindestlohns und die betriebliche Aus- und Weiterbildung. „Sie sind stets am Puls der Zeit“, bescheinigte Scheele denn auch den Verantwortlichen und unterstrich die Praxisrelevanz des IAB-Betriebspanels für die BA: „Die Ergebnisse spielen eine große Rolle für die Weiterentwicklung unserer Angebote. Ich wünsche mir auch für die nächsten 25 Jahre so gute Arbeit!“

Hochaktuelle personal- und arbeitsmarktpolitische Themen

Ingrid Hofmann, I.K. Hofmann GmbH und Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände

Ingrid Hofmann, I. K. Hofmann GmbH und Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände

“Ein Thema ist wahrlich ein Dauerbrenner: ausreichend passendes Personal zu finden“, erklärte Ingrid Hofmann, Geschäftsführende Alleingesellschafterin der I. K. Hofmann GmbH, einer der fünf größten Personaldienstleister Deutschlands. Schon vor 25 Jahren habe das IAB-Betriebspanel deutlich gemacht, dass Betriebe ihre offenen Stellen nicht ausreichend mit geeigneten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern besetzen konnten, sagte Hofmann, die sich auch in der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) engagiert und Mitglied im Verwaltungsrat der BA ist. Diese Situation habe sich bis heute noch verschärft.

Mit dem IAB-Betriebspanel würden wichtige Themen wie Arbeitskräftemangel hinterfragt und analysiert, und so wichtige Impulse für Politik und Praxis gesetzt. „Das IAB-Betriebspanel leistet einen wichtigen Beitrag dazu, Lücken zu schließen, damit betriebliche Bedarfe wahrgenommen werden“, so Hofmann. Der Nutzen werde von den Unternehmen klar erkannt. „Das IAB-Betriebspanel hat es bisher immer verstanden, die Themen aufzugreifen, die personal- und arbeitsmarktpolitisch hochaktuell sind“, erklärte Hofmann und nannte die Digitalisierung und die Integration der nach Deutschland Geflüchteten in den Arbeitsmarkt als Beispiele.

„Es kursieren Unmengen an Thesen und Prognosen zur Zukunft der Arbeitswelt. Ich bin froh, dass sich das IAB beziehungsweise das IAB-Betriebspanel sachlich, fundiert und unaufgeregt mit der Thematik auseinandersetzt“, sagte Hofmann.

Erwartungen mehr als erfüllt

ohannes Jakob, Leiter der Abteilung „Arbeitsmarktpolitik“ beim Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes und Mitglied im Verwaltungsrat der BA

Johannes Jakob, Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes

Die Bedeutung sicherer und unabhängiger Fakten unterstrich Johannes Jakob, Leiter der Abteilung „Arbeitsmarktpolitik“ beim Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes und Mitglied im Verwaltungsrat der BA, in seinem Grußwort. „Deswegen haben die Gewerkschaften den Aufbau des IAB-Betriebspanels von Beginn an ausdrücklich begrüßt und unterstützt. Wir müssen wissen, wie sich die Arbeitswelt verändert, um unsere Arbeit daran anzupassen. Mit dem IAB-Betriebspanel sind unsere Erwartungen mehr als erfüllt worden.“

Im Fokus des Interesses, so Jakob, stünden unter anderem Studien zur Entwicklung des Beschäftigungsniveaus und der Beschäftigtenstruktur, zur Entwicklung der betrieblichen Aus- und Weiterbildung sowie zur Qualifikationsentwicklung, Branchenanalysen oder Studien zu den industriellen Beziehungen und zum Mindestlohn. „Es war sehr erfreulich, dass das IAB den Horrormeldungen einiger Ökonomen und politischer Interessenvertreter nüchterne Fakten entgegensetzen konnte“, sagte Jakob.

Jakob sprach sich auch dafür aus, das Thema “Sozialpartnerschaft” noch stärker zu untersuchen: „Die Sozialpartnerschaft ermöglicht vielleicht keine schnellen, dafür aber nachhaltige Entscheidungen. Wir sind damit in Europa und international bisher nicht schlecht gefahren.” Nicht zuletzt die große Rezession habe gezeigt, dass die Sozialpartnerschaft wirke.

Auf fundierte Erkenntnisse angewiesen

Da Dr. Elisabeth Neifer-Porsch, Leiterin der Abteilung „Arbeitsmarktpolitik, Ausländerbeschäftigung, Arbeitslosenversicherung, Grundsicherung für Arbeitsuchende“ im BMAS, verhindert war, verlas IAB-Vizedirektor Dr. Ulrich Walwei ihr Grußwort. Neifer-Porsch, ebenfalls Mitglied im Verwaltungsrat der BA, ging darin insbesondere auf das Projekt „Arbeitsqualität und wirtschaftlicher Erfolg“ ein.

Die Frage nach Wirkungszusammenhängen zwischen unternehmerischer Personalpolitik und wirtschaftlichem Erfolg von Betrieben sei für das BMAS ein Anknüpfungspunkt gewesen, um dieses Projekt im Jahr 2012 gemeinsam mit dem IAB zu starten. Seine Besonderheit liege in der kombinierten Betriebs- und Beschäftigtenbefragung sowie deren Verknüpfung mit dem IAB-Betriebspanel. „Dieser Datenpool liefert fundierte Grundlagen für empirische Analysen zur Fragen der Personalstrategie und Arbeitsqualität in Deutschland und somit auch für eine evidenzbasierte Politikberatung“, bescheinigte Neifer-Porsch dem Projekt großen Erfolg. „Gemeinsam mit dem IAB strebt das BMAS eine Verlängerung an.“

Um auch die künftigen Herausforderungen an die Arbeitswelt meistern zu können, sei das BMAS weiter auf fundierte Erkenntnisse aus dem IAB-Betriebspanel angewiesen. Sie freue sich daher, so Neifer-Porsch, dass Trends und Entwicklungen auf Betriebs- und Beschäftigtenseite weiterhin wissenschaftlich begleitet und intensiv untersucht würden.

Je länger, desto wertvoller

Prof. Dr. Martin Abraham, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

„Ein Datensatz, der 25 Jahre alt wird, ist normalerweise kein Grund zum Feiern, sondern ein Fall für den Datenfriedhof“, erklärte Professor Martin Abraham von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU). Das Zauberwort „Panel“ mache hier jedoch den entscheidenden Unterschied, denn Längsschnittdaten gehörten zu den wertvollsten Daten: „Sie erlauben es, Entwicklungen über die Zeit zu skizzieren, gestatten die exakte Analyse von sozialer Dynamik und ermöglichen Aussagen über Kausalitäten“, erläuterte der Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats des IAB. „Solche Panelbefragungen sind deshalb umso wertvoller, je länger sie laufen.“

Viele unserer Erkenntnisse seien Längsschnittdaten zu verdanken. Das IAB-Betriebspanel sei eines der am längsten laufenden Panelbefragungen in Deutschland und zudem die weltweit einzige zur betrieblichen Perspektive. „Der Wissenschaftliche Beirat hebt den Wert des IAB-Betriebspanels daher immer wieder hervor. Ich darf das IAB daher auch als Vertreter der Wissenschaft sehr herzlich beglückwünschen!“

Stets offen für Neues

Dr. Josef Hartmann, Kantar Public

Dr. Josef Hartmann, Kantar Public

Dr. Josef Hartmann von Kantar Public, in Deutschland das Nachfolgeinstitut der beiden Marken TNS Infratest Sozialforschung und TNS Infratest Politikforschung, ließ in seinem Grußwort 25 Jahre Zusammenarbeit Revue passieren. Vier Faktoren, so Hartmann, zeichneten diese lange Kooperation aus: gegenseitiges Vertrauen, partnerschaftliche Zusammenarbeit, gegenseitige Wertschätzung, Anerkennung und Respekt sowie ein offener Umgang miteinander. So sei es gelungen, auch bei Problemen schnelle und effektive Lösungen zu finden.

Das IAB-Betriebspanel stelle seit 25 Jahren eine umfangreiche und einzigartige Datenquelle für die Analyse der betrieblichen Situation, betrieblicher Entscheidungsfindung und betrieblichen Verhaltens dar, sagte Hartmann: „Und aufgrund des Paneldesigns nicht nur für deskriptive Fragestellungen, sondern auch für kausalanalytische.“ Die Wiederteilnahme der Betriebe sei mit 80 bis 85 Prozent sehr hoch.

Besonders bemerkenswert, so Hartmann: „Das Betriebspanel ist trotz – oder gerade wegen – seines Alters offen und anschlussfähig für Neues, für Innovationen, für Weiterentwicklungen.“ Beide Teams – das Team beim IAB und das Team bei Kantar – legten großen Wert darauf, dass solche Offenheit und Anschlussfähigkeit erhalten bleiben mit dem Ziel, das Betriebspanel für die Herausforderungen zukünftiger Forschungsfragen zu rüsten.


Wissenschaftliche Tagung, 1. Tag

Zwei Keynotes bildeten die Überleitung zur  wissenschaftlichen Tagung. Lutz Bellmann, Leiter des Forschungsbereichs „Betriebe und Beschäftigung“ am IAB und Professor für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Arbeitsökonomie, an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, sprach zunächst über Innovationen im IAB-Betriebspanel. Anschließend ging Professor Michael Beckmann von der Universität Basel (Schweiz) auf personalökonomische Forschung mit den Daten des IAB-Betriebspanels ein.

Die sechs Erfolgsfaktoren des IAB-Betriebspanels

Prof. Dr. Lutz Bellmann, IAB

Prof. Dr. Lutz Bellmann, IAB

Lutz Bellmann, der das IAB-Betriebspanel vor 25 Jahren mit Jürgen Kühl, Manfred Lahner und Susanne Kohaut aus der Taufe gehoben hatte, führte in seinem Vortrag den Erfolg des IAB-Betriebspanels auf sechs Faktoren zurück: die Ziehungsgrundlage, den Zugang für die externe Wissenschaft, die wissenschaftliche Fundierung, die Handlungsorientierung, den hohen Rücklauf und die Verknüpfbarkeit mit anderen Datensätzen. Bellmann ging außerdem auf die Bedeutung des Fragebogens ein, bei dem Wissenschaft und Praxis zusammenarbeiten.

Dass das IAB-Betriebspanel trotz seiner 25 Jahre immer noch jung ist, machte Lutz Bellmann an drei Aspekten deutlich. Erstens würden immer wieder neue Fragen und Themen analysiert, nannte er als Beispiele die betrieblichen Bündnisse für Beschäftigung und Standortsicherung, den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn und die Integration von ausländischen Arbeitskräften.

Als zweiten Aspekt nannte Bellmann die Verknüpfung von Beschäftigten- und Betriebsbefragungen wie beim „Linked Personnel Panel“. Und als dritten Aspekt sprach er die Arbeit an weiteren wichtigen Projekten an, die unter anderem Fragen zu Digitalisierung und Nachhaltigkeit, die experimentelle Validierung von Indikatoren des Managerverhaltens und die Befragung von Betriebsräten betreffen. „Wir wollen die Dinge so vorantreiben, dass wir unserer Aufgabe, die betrieblichen Informationen über den Arbeitsmarkt zu verbessern, gerecht werden“, erklärte Bellmann.

Personalökonomische Forschung mit dem IAB-Betriebspanel

Prof. Dr. Michael Beckmann, Universität Basel

Prof. Dr. Michael Beckmann, Universität Basel

Michael Beckmann ging im Hinblick auf die personalökonomische Forschung mit den Daten des IAB-Betriebspanels zunächst auf entsprechende hochrangig publizierte Beiträge ein und nahm derer drei in den Blick: einen Beitrag von Boris Hirsch und Steffen Mueller zu der aus Managersicht wichtigen Frage, ob Zeitarbeit einen Einfluss auf den Unternehmenserfolg hat, einen Beitrag von Christian Göbel und Thomas Zwick zu der Frage, welche personalpolitischen Maßnahmen die Produktivität älterer Arbeitnehmer fördern, sowie einen Beitrag von Christian Pfeifer zu der Frage, welchen Einfluss die firmeninterne Lohndispersion auf die Wahrscheinlichkeit einer Übernahme der Weiterbildungskosten durch den Arbeitgeber hat.

Beckmann stellte zudem eigene aktuelle Forschungsbeiträge auf Basis der Daten des IAB-Betriebspanels vor, die sich mit den Determinanten und Auswirkungen der Zentralisierung oder Dezentralisierung von Entscheidungsrechten, mit dem möglichen Einfluss der Einführung von selbstbestimmten Arbeitszeiten auf den Unternehmenserfolg sowie mit der Frage befassen, ob Arbeitsplatzautonomie und Mitarbeiterkontrolle komplementäre Managementinstrumente sind.

Abschließend ging Beckmann auf die Kombinierbarkeit des IAB-Betriebspanels mit dem LLP ein. „Das ist eine Goldgrube für jeden, der personalpolitische Forschung betreibt“, betonte der Wissenschaftler und verwies auf einige laufende und künftige Projekte wie die Auswirkungen der Digitalisierung auf Arbeitsorganisation und Unternehmenserfolg, die Auswirkungen von High-Involvement-Management – also Konzepte der Mitarbeiterführung, die auf ein hohes Engagement der Beschäftigten zielen – auf den Unternehmenserfolg sowie die Identifikation von Motivation Crowding-Out, in Arbeitssituationen – das heißt, die Verdrängung intrinsischer durch extrinsische Motivation.


Wissenschaftliche Tagung, 2. Tag

Am zweiten Veranstaltungstag präsentierten weitere namhafte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem In- und Ausland in mehreren Sessions Forschungsergebnisse zu aktuellen Themen aus der Arbeitsmarktforschung und angrenzenden Gebieten wie Personalökonomie und Bildungsforschung sowie methodischen Fragen.

Forschung zu den industriellen Beziehungen

Prof. Claus Schnabel, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Prof. Claus Schnabel, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Professor Claus Schnabel von der FAU sprach in seiner Keynote über die Rolle des IAB-Betriebspanels für die Forschung zu den industriellen Beziehungen in Deutschland. Schnabel betonte, dass Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehungen von großer Bedeutung für den Arbeitsmarkt seien. Da der Forschung amtliche Daten hierzu aber nur sehr eingeschränkt zur Verfügung stünden, seien die Daten zu Tarifbindung, Orientierung an Tarifverträgen, Betriebsräten, übertarifliche Entlohnung, Öffnungsklauseln und betrieblichen Bündnissen für Beschäftigung und Standortsicherung aus dem IAB-Betriebspanel sehr wichtig.

Schnabel ging in seinem Vortrag auf die seit über 20 Jahren zu beobachtende Erosion des Systems der industriellen Beziehungen in Deutschland ein. Einschätzungen und Thesen der Beobachter dieser Entwicklung können erst mit den Daten des IAB-Betriebspanels empirisch zu untersucht werden. So hat sich die Abdeckung durch Tarifverträge in Deutschland in den vergangenen zwei Jahrzehnten halbiert; spiegelbildlich dazu erhöhte sich der Anteil der Betriebe ohne Tarifbindung und ohne Betriebsrat von 33,5 Prozent im Jahr 1996 auf 60,7 Prozent im Jahr 2015.

Mit den Daten des IAB-Betriebspanels lässt sich auch die Entwicklung für die Beschäftigten nachzeichnen: Der Anteil der Beschäftigten in Betrieben ohne tarifliche Bindung und ohne Betriebsrat stieg in derselben Zeit von 15,9  auf 32,9 Prozent. Diese „weißen Flecken“ sind etwas kleiner, wenn weniger formelle Institutionen wie die Orientierung an Tarifverträgen oder Sprecherausschüsse berücksichtigt werden.

Tarifbindung und Betriebsräte

Andreas Gulyas

Andreas Gulyas, University College London

In einer Reihe von Vorträgen wurden außerdem verschiedene Aspekte der Forschung zu industriellen Beziehungen vertiefend untersucht. IAB-Forscher Dr. Mario Bossler analysierte die Entwicklung der Tariforientierung von Betrieben. Seine wichtigsten Ergebnisse: Die Orientierung von Betrieben am Tarif bildet oftmals eine Vorstufe zu einer Tarifbindung. Allerdings kompensiert dieser Prozess nicht die zurückgehende Tarifbindung, die mit der veränderten Struktur der Betriebe zusammenhängt und weniger auf Verhaltensänderungen der Betriebe beruht.

Auf der Basis der verknüpften Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Daten des IAB konnte Andreas Gulyas vom University College London (Großbritannien) zeigen, dass die Zunahme der Lohnungleichheit nicht nur auf die zurückgehende Tarifbindung, sondern auch auf eine Absenkung der betrieblichen Qualifikationsstruktur zurückzuführen ist.

Julian B. Adam von der FAU betrachtete die Rolle von Betriebsräten für die Arbeitskräftemobilität. Er konnte ebenfalls mit den Daten des IAB-Betriebspanels den empirischen Nachweis führen, dass die Existenz eines Betriebsrats die freiwillige Mobilität der Beschäftigten reduziert und somit die Fluktuationskosten niedriger sind.

Determinanten und Effekte von betrieblicher Bildung

Annika Pfister

Annika Pfister, Universität Trier

Einen weiteren Schwerpunkt bildeten verschiedene Studien zu den Determinanten und Effekten von betrieblicher Bildung. Professor John S. Heywood von der University of Wisconsin-Milwaukee (USA) untersuchte gemeinsam mit Professor Uwe Jirjahn und Annika Pfister von der Universität Trier auf der Basis des IAB-Betriebspanels den Einfluss des Wettbewerbs auf den Produktmärkten auf die betriebliche Weiterbildung. Das wichtigste Ergebnis der Studie ist, dass der beschriebene Wettbewerb – vorausgesetzt, es besteht keine Gefahr für die Insolvenz eines Betriebes – das betriebliche Weiterbildungsmanagement erhöht.

Daniel Dietz und Professor Thomas Zwick von der Universität Würzburg hatten für ihren Konferenzbeitrag die Daten des Projekts „Berufliche Weiterbildung als Bestandteil lebenslangen Lernens“ (WELL) verwendet und erstmals gezeigt, dass in der großen Rezession 2008/09 die Weiterbildungsbeteiligung der un- und angelernten Beschäftigten stärker zurückgegangen ist als die der Fachkräfte. Passend dazu konnten Dr. Hans Dietrich vom IAB, Professor Hans-Dieter Gerner, Technische Hochschule Georg Simon Ohm Nürnberg und IAB, und Dr. Harald Pfeifer vom Bundesinstitut für Berufsbildung mit den verknüpften Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Daten des IAB nachweisen, wie sich die verschlechterte Geschäftserwartungen auf die zurückhaltende Bereitstellung von Ausbildungsplätzen auswirken.

Gestaltung der betrieblichen Arbeitszeit

Prof. Francoise Delmez, Université de Namur (Belgien)

In mehreren Vorträgen wurden verschiedene Aspekte der Gestaltung der betrieblichen Arbeitszeit diskutiert. Professorin Francoise Delmez von der Université de Namur (Belgien) und Professor Vincent Vandenberghe von der Université Catholique de Louvain (Belgien) kamen auf der Basis belgischer Betriebsdaten zu dem Ergebnis, dass die Betriebe ihre Arbeitszeitwünsche gegenüber denen der Beschäftigten zumindest teilweise durchsetzen können. Eine Besonderheit dieser Daten ist die Erfassung von Nichtlohnnebenkosten, die einen starken Anreiz für Betriebe darstellen, die Arbeitszeit auszuweiten. Die beiden Forscher fanden allerdings auch Hinweise dafür, dass Produktivitätsgewinne mit einer Verringerung der betrieblichen Arbeitszeit verbunden sind.

Digitalisierung und Personalmanagement

Daniel Arnold

Dr. Daniel Arnold, Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung

Die Implikationen der Nutzung von modernen Automatisierungs- und Digitalisierungstechnologien für das Personalmanagement bildeten einen weiteren Schwerpunkt der Tagung. Professor Michael Beckmann und Dr. Istvan Hegedüs, beide von der Universität Basel, haben empirische Belege dafür gefunden, dass eine größere Autonomie von Beschäftigten deren Produktivität erhöht. Dies ist auch der Fall, wenn sie stärker auf Überwachung und Kontrolle setzen. Diese positiven Produktivitätseffekte werden aber fast vollkommen aufgehoben, wenn Autonomie und Kontrolle kombiniert werden. Als Grund dafür führen die Autoren die Verdrängung intrinsischer Motivation insbesondere bei Hochqualifizierten an.

Michael Beckmann hat zudem gemeinsam mit Elisa Gerten, ebenfalls von der Universität Basel, und Lutz Bellmann untersucht, ob die Digitalisierung den Aufbau der Arbeitsorganisation beeinflusst. Sie konnten mit den Daten der ersten beiden Wellen des LLP nachweisen, dass diejenigen Betriebe, welche die neuen Technologien nutzen, stärker auf das Monitoring ihrer Mitarbeiter setzen und den Fach- und Führungskräften auch eine größere Autonomie einräumen.

Elena Shvartman

Elena Shvartman, Universität Basel

Dr. Daniel Arnold vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Professor Patrick Kampkötter von der Universität Tübingen und Junior-Professorin Susanne Steffes, ZEW und Universität zu Köln, untersuchten die durch die Nutzung der neuen Technologien veränderte Rolle von Führungskräften. Ihre Empfehlung lautet, dass Betriebe stärker auf Zielvereinbarungen und variable Entlohnungsprozesse setzen sollten, damit ihre Mitarbeiter die Vorteile des Homeoffice in Anspruch nehmen und Nachteile vermeiden können.

Elena Shvartsman von der Universität Basel hat den Einfluss der Nutzung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien auf Zufriedenheit und Stress sowie auf die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben von Beschäftigten untersucht. Dabei konzentrierte sie sich auf Unterbrechungen in der Freizeit und am Wochenende, die überwiegend mit negativen Effekten auf die betrachteten Zufriedenheitsindikatoren verbunden sind.

Ausländische Beschäftigte und betriebliche Exportaktivitäten

Prof. Dr. Thorsten Schank, Universität Mainz

Prof. Dr. Thorsten Schank, Universität Mainz

In seiner abschließenden Keynote betrachtete Professor Thorsten Schank von der Universität Mainz auf der Basis des IAB-Betriebspanels die Effekte, die von der Tätigkeit ausländischer Beschäftigter auf die betriebliche Leistungsfähigkeit im Sinne der Exportaktivitäten ausgehen. Er ermittelte hier einen signifikant positiven Zusammenhang.

Dabei arbeitete er auch die Bedeutung des regionalen Arbeitsmarktes für die Rekrutierung von ausländischen Beschäftigten heraus, weil diese dorthin gingen, wo sich bereits andere Ausländer befänden.

Schank kam außerdem zu dem Schluss, dass sich die Beschäftigung von ausländischen Managern produktivitätserhöhend auswirkt.

 

Dieser Bericht wurde verfasst von: Andrea Kargus und Lutz Bellmann (beide IAB).
Fotos: Jutta Palm-Nowak | IAB

 

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